KLASSIK
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NEUES AUS
DER MUSIKWELT
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Richard Strauss
DON JUAN, TILL EULENSPIEGEL,
TOD UND VERKLÄRUNG
P itts b u rg h S y m p h o n y O rc h e s tra , M a n fr e d H o n e c k
R e fe re n c e R e c o rd in g s /F e n n M u s ic SACD
(5 9 ')
Das Pittsburgh Symphony Orches-
tra wird zwar nicht den „Big Five“,
den fünf führenden Sinfonieor-
chestern der Vereinigten Staaten,
zugerechnet, gehört aber zwei-
fellos zum Kreis der besten Or-
chester des Landes. Großen An-
teil am Aufstieg in die Spitzen-
klasse hatte der aus Köln stam -
mende William (Wilhelm) Stein-
berg, der von 1952 an für fast ein
Vierteljahrhundert als künstleri-
scher Leiter die Geschicke des Or-
chesters lenkte. Mit dem Öster-
reicher Manfred Honeck hat nun
wieder ein Dirigent aus dem deut-
schen Sprachraum diesen Pos-
ten inne.
Seine Einspieiungderdrei popu-
/lä re n Strauss-Tondichtungen lässt
schon mit den ersten Takten des
„Don Juan“ aufhorchen. Die Akzen-
te sind nadelspitz, die Phrasierung
prägnant und kurz, die schnellen
Passagen von aggressiver Brillanz.
Man erlebt hochvirtuoses Orches-
terspiel, einen nervös vibrieren-
den Klang mit großer dynamischer
Bandbreite. Nicht von ungefähr ste-
chen nicht selten die Trompeten
im Orchestertutti hervor. Das ist
nichts für romantische Seelen, die
in ihrem Strauss schwelgen möch-
ten. Unweigerlich wird der Hörer
immer wieder auf die Stuhlkante
gezwungen.
Honeck stellt die elektrisierende
Kraft seines Strauss-Spiels ganz in
den Dienst der den Werken zugrun-
de liegenden Programme. Da wer-
den mit großer Detailfreude und nie
nachlassender Intensität wirklich
Geschichten erzählt. „Till Eulen-
spiegel“ enttäuscht nicht die Erwar-
tungen an eine Folge herrlich unter-
haltsamer Genrebilder. In „Tod und
Verklärung“ meint man mit dem
Sterbenden dessen Lebensstatio-
nen geradezu greifbar an sich vor-
beiziehen zu sehen, ehe mit dem
Schlag des Tam-Tams die Tür ins
Jenseits aufgestoßen wird.
Andreas Friesenhagen
MUSIK ★
KLANG ★
Setzt mit dem Pittsburgh Symphony
5
Orchestra zu neuen Höhenflügen an:
Manfred Honeck
RACHMANINOV
VASILY P E T *'
Sergej Rachm aninow
SINFONIE NR. 1, PRINZ ROSTISLAW
R o yal L iv e rp o o l P h ilh a rm o n ic O rc h e s tra , V. P e tre n k o
W a rn e r CD_________________________________________( 5 9 )
Zum Abschluss seines Liverpoo-
ler Rachmaninow-Zyklus ist Vasily
Petrenko nun beim sinfonischen
„Schmerzenskind“ des Komponis-
ten angelangt: der Sinfonie Nr. 1.
Die St. Petersburger Uraufführung
dieses Werks - Alexander Glasunow
stand am Pult - war ein solch nie-
derschmetternder Misserfolg, dass
Rachmaninow die Partitur zur Sei-
te legte, von einer Depression be-
fallen wurde und lange Zeit nichts
mehr komponieren konnte. Auch
wenn die Sinfonie mittlerweile
längst rehabilitiert ist, wird sie im-
mer noch recht selten aufgeführt.
Sie bietet auch wenig Platz zum
Schwelgen; Rachmaninows typi-
getragener, wilder Ingrimm. Vasily
Petrenko
unternimmt
keinerlei
Versuch, die ungestüme Dramatik
zu zügeln, im Gegenteil, er packt
das Stück quasi bei den Hörnern.
Auf diese Weise gelingt ihm eine
durchweg mitreißende Interpreta-
tion, die vor allem im letzten Satz
einen regelrechten Sturmwind ent-
facht. Dass er dabei den strukturel-
len, rein sinfonischen Qualitäten
der Musik ebenfalls zu ihrem Recht
verhilft, versteht sich von selbst.
Nur das Beste lässt sich über die
Spiel- und Klangkultur des Liver-
pooler Orchesters berichten, das
Petrenko zu einem Klangkörper ers-
ter Güteklasse geformt hat. Schade
ist lediglich, dass der Dirigent auf
die früher weit verbreitete Unsitte
zurückgreift, die Orchestration in
der Schlagzeuggruppe zusätzlich
aufzupeppen - mit Instrumenten,
die nicht in der Partitur stehen (Glo-
cken etc.) und Beckenschlägen, wo
keine hingehören (zum Beispiel am
Schluss des Kopfsatzes). Das hätte
Petrenko eigentlich nicht nötig ge-
habt - und Rachmaninow erst recht
nicht!
Thomas Schulz
Franz Schubert
n ;
SONATEN D 664 UND 894
Ja n in a F ia lk o w s k a
A tm a /M W CD
(5 6 ')
Janina Fialkowska hat sich als Cho-
pin- und Mozart-Interpretin einen
Namen gemacht. Auch Schubert
zählt zu den großen Melodikern,
und das quasi Singen auf den Tas-
ten ist eine Stärke der Pianistin.
Zieht man aber Aufnahmen von Mi-
chael Endres und Alfred Brendel
zum Vergleich heran, dann wirkt ihr
Ansatz etwas nüchtern. Das liegt
einerseits an den zumeist schnel-
leren Tempi, die manchmal etwas
hastig wirken und weniger Raum
zur Ausgestaltung von Details las-
sen, andererseits auch an ihrem
sparsamen Pedal-Einsatz, der zu ei-
nem sehr klaren, aber auch etwas
trockenen Klangbild führt.
Will
5
stattdessen eine Menge mit zu-
MUSIK ★
i Mu sik ★
i MUSIK ★
sammengebissenen Zähnen vor-
KLANG ★
I KLANG ★
i KLANG ★
______________
VALENTINA
LISITSA p^LISZT
Franz Liszt
VALENTINA LISITSA PLAYS LISZT
D e c c a /U n iv e rs a l CD
(7 6 ’ )
Valentina
Lisitsa,
inzwischen
weltweit gefeierter „erster Youtu-
be-Star der klassischen M usik“,
legt nach ihrer Gesamtaufnahme
der Rachmaninow-Konzerte jetzt
bei Decca ein Liszt-Recital vor, das
man getrost als außerordentlich
bezeichnen kann. Dies nur zu ei-
nem geringeren Teil, weil die neun
Titel des Albums geschickt Rari-
täten - so das frühe „El Contra-
bandista“-Rondo oder die späte
„Aida“-Paraphrase - mit alten Be-
kannten wie Liszts Schubert-Tran-
skriptionen des „Ave Maria“ oder
des „Erlkönig“ zu einem Potpour-
ri verbindet, das vertriebsfreund-
lich „für jeden etwas“ bereithält.
Sondern vor allem wegen Lisitsas
Interpretationen.
Dass die gebürtige Ukrainerin,
die seit 1991 in den USA lebt, ei-
ne echte Virtuosin mit einer kapi-
talen Technik ist, der dank ihres
zupackenden Temperaments und
eines vollendet entspannt arbei-
tenden Spielapparats buchstäb-
lich „alles“ auf dem Klavier zu ge-
lingen scheint, hat sie schon des
Öfteren unter Beweis gestellt. Ih-
re Liszt-CD bietet neue, vielleicht
noch verblüffendere Beispiele ent-
fesselter Oktav-Galoppaden oder
hauchzarter Pianissim o-G litze-
reien, wie man ihnen so unange-
strengt und alles Handwerkliche
„transzendierend“ (um einen Aus-
druck Liszts zu gebrauchen) nur
selten begegnet.
Mehr noch beeindruckt, wie le-
bendig und farbig sie jeden Titel
zum Singen bringt, ihm einen ganz
eigenen und tief romantischen
Klang mitzugeben vermag, wie
hinreißend eindringlich sie zum
Beispiel Schuberts quasi szeni-
sche Vertonung von Goethes „Erl-
könig“-Versen klavieristisch umge-
setzt hat. Schlank heraus: Für mich
ist dies die attraktivste Klavierauf-
nahme seit Langem.
Überzeugendes, adäquat räum-
liches Klangbild.
Ingo Harden
140 STEREO 3/2014
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